Der Zwergelgarten im Schlosspark Mirabell war nach aktuellem Forschungsstand der erste seiner Art und damit nicht nur Vorbild für zahllose Schloss- und Stiftsgärten in ganz Europa, sondern auch für die heute beliebten Gartenzwerge. Aber warum überhaupt Zwerge? Kleinwüchsige waren schon im Mittelalter an europäischen Fürstenhöfen wegen Ihrer Treue und Loyalität hochgeschätzt. Ein berühmter Hofzwerg Kaiser Karls des IV war etwa Jakob Ries, aber auch in Salzburg gab es mit Josef Friedrich von Meichelböck (1687–1746) einen angesehenen kleinwüchsigen Diener.

Ein Garten für Götter, Helden und Zwerge
Die Geschichte des Zwergelgartens ist untrennbar mit dem Mirabellgarten verbunden, welcher mehrmals umgebaut wurde. So auch 1687, als Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun und Hohenstein den aufstrebenden Grazer Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach mit der Neugestaltung des Gartens beauftragte. Es sollte ein barocker Lustgarten entstehen – ein Ort für Lustspiele, Theater, Konzerte und Feuerwerke. Um 1695 war es vollbracht. Am heutigen Zauberflötenspielplatz erstrahlte ein barocker Park mit einem großen und vier kleineren Springbrunnen. Zwischen gepflegten Gartenelementen und geschnittenen Buchshecken wurden 28 steinerne Zwerge aufgestellt. Für die hervorragenden Steinmetzarbeiten aus Untersberger Marmor zeichnet sich wahrscheinlich ein Künstlerkollektiv unter der Leitung von Ottavio Mosto und Bernhard Michael Mandl verantwortlich.

Verkauft und verschollen
Da um das Jahr 1800 englische Landschaftsgärten in Europa die barocke Formgebung ablösten, galt der Lustgarten in Mirabell schnell als veraltet. Er wurde nicht mehr gepflegt und schließlich noch vor 1800 zerstört. Auch die Zwerge waren in der Zeit der Aufklärung mit ihren missgestalteten Körpern nicht mehr gern gesehen und wurden 1811 unter der kurzen bayrischen Regentschaft in Salzburg zu Spottpreisen (2 Gulden pro Zwerg) verkauft und zerstreuten sich in alle Winde. 1919 fasste der Salzburger Gemeinderat den Beschluss, den einzigartigen Garten wieder zu errichten. Gerade einmal neun Zwerge waren damals im Besitz der Stadt. Heute verfügt die Stadt zusammen mit Nachbildungen über 17 Zwerge, die im 2018 neu gestalteten Bastionsgarten ausgestellt sind. Der schattige Standort ist umstritten, stellt er doch für die Denkmalpflege mit Moosen, Algen und Bakterien auf der Marmorstruktur eine große Herausforderung dar. Jeweils vier Zwerge der ursprünglichen Sammlung sind in Salzburg und Traunstein im Privatbesitz. Fünf weitere Zwerge sind verschollen. Zwei Zwerge aus Salzburger Privatbesitz sind inzwischen nachgebildet worden. Dabei wurden Farbpigmente entdeckt, die darauf schließen lassen, dass die Skulpturen vor über 300 Jahren rötlich monochrom bemalt waren.
Die Zwerge im Überblick
Die ursprünglich 28 Zwerge waren thematisch geordnet und mit vielen Symbolen ausgestattet. Sie waren von Anfang an als Gegenpol zu den 28 Götter- und Heldenfiguren im Mirabellgarten geplant, die noch heute komplett zu bestaunen sind.
12 Monatszwerge:
• Jänner: Der Zwerg mit dem Huhn steht für die Arbeit am Anfang des neuen Jahres.
• Februar (fehlt): Die Zwergin mit dem ausgeschnittenen Mieder befindet sich in Traunstein und stellt eine Fastnachtstänzerin dar.
• März: Der Zwerg mit dem Spaten symbolisiert den Beginn der Gartenarbeit.
• April: Der Zwerg mit der Gartenvase beschreibt das Auspflanzen der eingewinterten Topfpflanzen (Zitrusbäumchen).
• Mai: Der Zwerg mit der Rettichtasche zeigt die erste Fruchternte des Gartens.
• Juni: Der Zwerg mit dem Grabscheit ist auch als träumender Gärtner bekannt, der sich von der Arbeit ausruht.
• Juli: Der Zwerg mit der Sense (diese fehlt) und dem Wetzstein weist auf den ersten Wiesenschnitt hin.
• August: Die Zwergin mit dem Zwiebelbund bietet Wasser aus einer Kanne und zusätzlich als Gesundheitssymbol einen Bund mit Zwiebeln.
• September: Die Zwergin mit der Obstschürze verkörpert die Obsternte.
• Oktober (fehlt): Der Jägerzwerg steht für die Jagdsaison.
• November (fehlt): Der Zwerg mit der Martini-Gans befindet sich in Traunstein.
• Dezember: Der Zwerg mit dem Nockentopf versinnbildlicht die Zeit der Ruhe, in der auch köstliche Nocken gerne verspeist wurden.
12 Theaterzwerge:
Diese sind inspiriert durch die Karikaturen des florentinischen Hofmalers Jacques Callot, welcher Zwergkomödianten und Figuren des Stegreiftheaters Commedia dellárte abbildete und damit europaweit erfolgreich war.
• Der Zwerg mit Dolch und Degen (Nachbildung im Zwergelgarten) nimmt Bezug auf von Zwergenschauspielern gespielte Duellszenen.
• Der Zwerg mit dem Degen (Nachbildung im Zwergelgarten) duelliert sich mit dem oben erwähnten.
• Der Zwerg mit dem Strohtaschenhut gehört auch zu den duellierenden Zwergen.
• Der Zwerg mit dem Holzbein verteilt trotz seiner Versehrtheit fröhlich Früchte.
• Der Zwerg mit den Kastagnetten ist eine Leihgabe.
• Der Zwerg mit der Butte zeigt mit der seinerzeit dafür typischen Kopfbedeckung den braven Diener.
• Der Zwerg mit der Feldflasche (fehlt) oder „Brighella“ ist das Gegenstück zum braven Diener und befindet sich in Traunstein.
• Der Zwerg mit der Löffelkappe (fehlt) oder "Dottore" mit seinem typischen Ziegenbart und der Gürteltasche befindet sich in Traunstein.
• Der Zwerg mit dem Zwicker oder „Tartaglia“ sorgte wohl durch stotternde Wortverdrehungen für Heiterkeit. Er konnte stotternd Wahrheiten andeuten, ohne von einer Zensur erfasst zu werden.
4 Sonderzwerge:
• Türkenzwerg mit Turban, der vergeblich einen dicken Baumast abzubrechen versucht.
• Der zweite Türkenzwerg ist verschollen.
• Pallone-Zwerg mit dem Ball am Eingang zum Zwerglgarten.
• Pallone-Zwerg mit dem Stachelärmel am Eingang zum Zwergelgarten.
Die Türken-Zwerge sind wohl auf die letzte Türkenbelagerung Wiens im Jahr 1683 zurückzuführen, bei der auch 800 Salzburger Soldaten mitkämpften. Das Spiel Pallone, bei dem mit einem hölzernen Schlagärmel ins feindliche Feld geschlagen wurde, war nicht nur in Oberitalien, sondern auch in Salzburg bei der adeligen männlichen Jugend beliebt.
Andere Zwergelgärten
Wer sich auf die Suche nach weiteren Steinzwergen machen möchte, darf sich auf eine längere Reise einstellen, denn davon gibt es viele. So beispielsweise in Weidling bei Wien, Schloss Weikersdorf in Franken, Schloss Bad Kuskus in Böhmen, Lambach, Schloss Dornau bei Pettau bis nach Deutschland, Polen, Rumänien und Norditalien. Auch in Hellbrunn stehen steinerne Zwerge.

Detail am Rande: Der Mirabellgarten wurde erst 1869 öffentlich zugänglich gemacht und war davor nur den höchsten Ämtern der Stadt vorbehalten. Früher hieß er übrigens Pigatl- und auch Pagodngarten.


Beim Steinmetzmeisterbetrieb Fritz Gollackner können Sie Qualitätssteine oder auch Zwerge ganz nach ihren Wünschen formen lassen.
Comentários